2008 Burgenland

2008
Burgenland
ein Text von Dr. Martin Turck
zur Ausstellung ‚Waste Not/Want Not‘ vom Kunstverein M.I.K.C. / Delden, NL

Der Ursprung der skulpturalen Material-Assemblage ‚Burgenland’ war eine Malreise des Künstlers Georg Gartz in das Mittelrheintal im Jahr 2007. Auf den Spuren der Bildungsreisenden der Romantik im 19. Jahrhundert entlang der Burgen und Ruinen entstanden gemalte naturalistische Ansichten der berühmten Kulturlandschaft und ihrer historischen Architekturen am Rhein. In einer späteren und konsequenten Beschäftigung mit den Motiven wandeln sich die gemalten Ansichten über die Fläche der Leinwand hinaus in die dritte Dimension und entwickeln sich metamorph zu raumplastischen Gebilden. Ohne konkreten Bezug zu den Motiven und übertragen in frei erfundene Formen transformiert der Künstler das Burgenland in eine abstrakte Raumschöpfung.

Eigenwillige Konstruktionen aus Formen und Gegenständen des Alltäglichen bilden die formalen Grundlagen des plastischen Konzepts. Materialmüde Fundstücke, Design-Schrott, Kitsch und Wohlstandsmüll, die in einer reichen Gesellschaft ihre Funktion eingebüßt und ihren Glanz verloren haben, werden gesammelt und geborgen, verwertet und einem Recycling unterzogen, aus dem eine konkrete künstlerische Komposition hervorgeht. Dem bürgerlichen Wohnambiente entstammen die Fragmente von Lampenschirmen und Dekorationsstoffen. Im ‚malerischen’ Verfahren, das mit der Improvisation von Struktur und Chaos, Ordnung und Zufall spielt, kombiniert der Künstler die markanten Formen und Oberflächen zu phantastischen Gebilden.

Georg Gartz’ Form- und Motivvokabular entwirft eine allegorische Welt aus Fragmenten einer zeitgenössischen Oberflächen-Ästhetik, die die Wohlstandsattrappen unserer materiell getriebenen Gesellschaft vor Augen führt. Der Exzess des Billigen und seine farbenfroh zu gestalterischer Eleganz dekorierte Entfremdung heben Hierarchien, Maßstäbe und Originalität auf und ersetzen sie durch deformierte Ersatzwelten sozialer Fassaden, in denen Glanz und Elend, Euphorie und Desillusion eng beieinander liegen.

Ironisch formuliert ist diese Reflexion auf unsere Welt, ihre Betrachtung und Erkundung bereiten uns Freude. Es ist die Elastizität der dreidimensionalen Erfahrung – so als habe er den Objekten die DNA von Mischwesen injiziert -, die Georg Gartz schätzt und es scheint der Pluralismus gegensätzlicher Blickpunkte zu sein, der ihm Vergnügen bedeutet. In überzeugender Weise gelingt es Georg Gartz, vor dem Hintergrund moderner Traditionen der bildenden Kunst zu Grenzüberschreitungen von Objekt und Raum zu gelangen. Indem er sich auf eine vorgegebene Raumsituation einlässt und seine Objekte durch De- und Konstruktionen ästhetisch inszeniert, entwickelt er ein narratives Raumbild. In einer medialisierten Welt – auch das nur ein Synonym für Ausbeutung – sind Georg Gartz Installationen, ihre ästhetische Wirklichkeit und ihr Bedeutungsgehalt, Medien der Reflexion und Impulse der Erkenntnis.