Kunstforum St. Clemens Text

Rede zur Eröffnung der Ausstellung
Georg Gartz und Götz Sambale – Bilder und Objekte
im Kunstforum St. Clemens vom 8. Mai bis zum 12. Juni 2022
Norbert Küpper, Köln

Liebe Besucher des Kunstforums St. Clemens!

Zur diesjährigen Frühjahrsausstellung begrüße ich Sie herzlich im Namen der Kirchengemeinde St. Mauritius St. Clemens und freue mich mit Ihnen gemeinsam die beiden ausstellenden Künstler Georg Gartz und Götz Sambale hier mit ihren Werken empfangen zu können. Es handelt sich um eine Ausstellung, die schon auf den ersten Blick eine frühlingshafte Atmosphäre ausstrahlt. Formen und Farben der Werke spiegeln Wachsen, Gedeihen und Heiterkeit dieser Jahreszeit wider.

An den Beginn der Einführung möchte ich ein Zitat des Kölner Professors für Kunstgeschichte Joachim Gaus stellen: „Es gibt keine Zufälle; die Dinge fallen allenfalls zusammen“. So war es auch, als wir die beiden Künstler über unser Vorhaben informierten, sie gemeinsam ausstellen zu wollen. Genau zu diesem Zeitpunkt stellten Georg Gartz und Götz Sambale in einer Gruppenausstellung zusammen aus. Die Arbeiten waren dort in unmittelbarer Nähe zueinander präsentiert. Ein Foto dieser Ausstellung dokumentiert das eindrucksvoll. Und deswegen haben wir dieses Foto auf der Einladungskarte aufgegriffen.

Somit war seitens der beiden Künstler sofort das Einverständnis gegeben. Mehr noch; uns allen war sofort verständlich, dass wir eine Ausstellung mit Bildern und Skulpturen hier in St. Clemens am überzeugendsten zeigen, wenn wir uns auf bestimmte Werkgruppen beschränken. Denn sowohl das Oeuvre von Georg Gartz wie von Götz Sambale sind viel breiter gefächert. Im Ergebnis ist eine Ausstellung entstanden, die wie aus einem Guss wirkt, in der die Bilder von Georg Gartz und die Holzskulpturen von Götz Sambale stellenweise ineinander überzugehen scheinen.

Zu Beginn möchte ich den Blick auf die Bilder von Georg Gartz richten. Sofort fallen hier die klaren und sehr kräftigen Farbspiele auf, die mit einem vitalen Duktus auf die Leinwand oder das Papier aufgetragen wurden. Ihre informellen Kompositionen lassen beim flüchtigen Hinsehen zunächst auch an aufblühende Vegetation erinnern. Tatsächlich sind sie von anderen Eindrücken inspiriert: dem nordafrikanischen Licht aus Marrakesch.

2018 erfüllte sich Georg Gartz ein Vorhaben aus den früheren Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit, welches er aber immer wieder aufschieben musste. Zu dieser Zeit war er enorm von den Bildern und Assemblagen von Michael Buthe beeindruckt. Gartz´ Bilder wiesen nach eigenen Angaben damals starke formale Verwandtschaft auf. Bekanntlich war Buthes Kunst sehr stark durch zeitweiliges Leben in Marrakesch geprägt. So bestand für Georg Gartz der Wunsch, selber diesen Eindrücken nachzugehen.

Nach vorherigen kürzeren Aufenthalten unternahm Georg Gartz dann 2018 endlich für mehrere Monate eine Reise nach Marrakesch. Viele Jahre später und losgelöst aus dem Bann Buthes bewegte er sich durch die nordafrikanische Kultur und Landschaft. Da Georg Gartz die Sprache nicht verstand, musste er sich ausschließlich seinen visuellen Eindrücken hingeben und diesen folgen. Fasziniert von den Farben, dem spezifischen Licht und dem Lebensrhythmus hielt er die Eindrücke in Skizzen, Fotos und kleinformatigen Bildern fest. Hier finden sich illustrierende Alltagsszenen sowie Architekturelemente und abstrakte Farbzusammenstellungen. Dass diese Studien teils an Mackes Tunis-Bilder erinnern, mag als Beleg dafür gelten, dass Gartz auch 100 Jahre später auf ähnliche kulturelle Eigentümlichkeiten Nordafrikas traf.

Die hier ausgestellten Arbeiten entstanden später in seinem Kölner Atelier. Nach der Reflexion über die Eindrücke im zeitlichen Abstand sind große Bilder entstanden, in denen die Bildideen abgeklärter durchgearbeitet sind und sich in die Reihe der anderen Gemälde von Georg Gartz einreihen.

Die malerischen Partien dieses Bilderzyklus sind durchweg abstrakt-expressiver Natur, war doch die Marrakesch-Reise ohne Sprachkenntnis eine Art „Augenreise“. Häufig finden wir Schleifenspuren in den Bildern. Diese sind nicht ausschließlich auf die Armbewegung während des Malens zurückzuführen. Tatsächlich spielen sie auf die Faszination des Bindens eines Turbans an und sind somit nicht absolut von der gegenständlichen Welt enthoben. Überhaupt kommt in den Marrakesch-Bildern besonders stark zum Tragen, dass Georg Gartz der freien, ungebundenen Pinselführung die Technik des Siebdrucks entgegensetzt. Pronunzierter als in vorherigen Arbeiten nutzt er dabei den Siebdruck um Fragmente arabischer Ornamentik aus Architektur, Teppichen und Keramik den ungebundenen Farbflächen kontrastierend und ordnen entgegenzusetzen. Es kommt zu einem Über- und Untereinanderlegen der Bildelemente, an denen sich die Entwicklung und Verwerfungen der malerischen Bildwerdung ablesen lassen.

Die Ornamentik in Georg Gartz Bildern leiten direkt zu den abstrakten Holzskulpturen von Götz Sambale über. In seinen Arbeiten fallen die geometrischen Formen auf, die den Holzobjekten zugrunde liegen. Besonders die Kreisform spielt eine dominante Rolle. Von ihr lassen sich die kleeblattförmigen, gefächerten oder ineinander geschachtelten Aussparungen als Variationen und Fortspinnungen ableiten.

Holz ist im Vergleich zu Stein ein weicheres Material. Bei der Bearbeitung gibt man sich gerne dem Eindruck hin, dass es leicht zu bearbeiten sei und man eine skulpturale Idee mühelos umsetzen könnte. Tatsächlich stimmt dies aber nur bedingt, solange man es mit der Faser schneidet oder schnitzt. Sobald man von der Faser abweicht, stellt sich Holz als ein sehr stures und widerspenstiges Material heraus. Bei der Missachtung des Wuchses und der Jahresringe, reist es schnell aus und widersteht zuweilen dem Werkzeug und dem Formgedanken.

Diese Diskrepanz wird in den „Affinis“ und „Scheiben“ offensichtlich. Denn man findet keine mit Zirkel oder Lineal nachvollziehbare Geometrie. Selbst wenn Götz Sambale sich in einigen Fällen eine solche konkrete Geometrien zu Beginn vorgestellt haben mag, kommt es zu Abweichungen. Im Arbeitsprozess muss diese anfängliche Idee den Jahresringen angepasst und modifiziert werden, selbst wenn der Bildhauer einen der Idee zuträglichen Baum erwählt hat. Die Aussparungen und Durchbrüche weisen feine Asymmetrien auf, die die Skulptur weicher und natürlicher erscheinen lässt. Es sind eigentlich amorphe Gebilde, die beim Betrachter ähnlich wie bei Platons Ideenlehre das geistige Ideal eines Kreises zurückrufen. Ähnlich entdeckte übrigens Goethe den goldenen Schnitt als gestaltendes Element in seinen Naturstudien.

Sambales Holzskulpturen ist zu eigen, dass sie sich in zwei Richtungen ausbreiten. Gewöhnlich verstehen wir eine Skulptur als eine dreidimensionale Ausdehnung im Raum, deren äußere Gestalt wir betrachten. Dies ist bei Sambales Arbeiten der Umfang des Holzstammes. Er bleibt in den Werken zum größten Teil in seinem individuellen Wuchs erkennbar. Dieser ist sozusagen die positive Skulptur im Raum. Gleichzeitig befindet sich hier eine Art negative Skulptur, ein Raum der sich nach innen erstreckt. Das Holz des Stammes fungiert dabei als Umriss des inneren Raums, den Sambale durch die Aushöhlung schafft. Dieser bleibt jedoch nur eine ideale Skulptur, da er durch die Aussparungen entsteht und keine eigene Materialität besitzt. Die Leere ist zu einer zweiten Skulptur geworden.

Die hier ausgestellten Arbeiten lassen sich als introvertierte Skulpturen beschreiben. Sie kreisen um sich, dehnen sich nicht Richtung des Betrachters aus. Der Holzstamm behält seine zylindrische Urform, woraus sich indirekt die Präferenz des Kreises in den inneren Geometrien herleitet. In diesem Um-Sich-Selbst-Kreisen scheinen sie sich selbstgenügend und unabhängig vom Betrachter zu existieren, der sich eher in der Rolle von Goethes Naturbetrachter wiederfindet. Dies gilt auch für die mehrteiligen Arbeiten, bei denen sich die Einzelelemente gegenseitig in ihren individuellen Abweichungen zu bestätigen scheinen und ihrer Existenz versichern.

In den Scheiben reduziert Götz Sambale die Dreidimensionalität der Außenform nochmals aufs Nötigste. Das Holz wird in diesen Arbeiten fast auf eine flächige Konturlinie reduziert, mit der die innere, ideale Form umschrieben wird. Diesen Eindruck hervorhebend, haben wir zwei dieser Scheiben aus hellem Pappelholz vor den Wänden im Westwerk präsentiert. Vor den hellen Wänden erscheinen sie aus der Ferne fast wie Reliefs. Die Hohlräume werden durch das Weiß der Wände abgemildert und gleichzeitig entstehen durch die Schatten weichere Konturen. Diese Form der Präsentation möge dann auch zu den graphischen Arbeiten von Götz Sambale überleiten. Die hier zu sehenden Blätter sind Einzelabdrücke seiner Holzarbeiten, die den Charakter der Scheiben konsequent ins Graphische und Zweidimensionale fortführen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und lade Sie zwischen den Werken von Georg Gartz und Götz Sambale zu wandeln, was Ihnen an den kommenden Wochenenden erneut möglich ist. Mit den Künstlern freuen wir uns, Sie bei der Finissage mit dem von Herbert Rosner moderiertem Künstlergespräch begrüßen zu können, wenn dann auch die von Ihnen erworbenen Werke mitgenommen werden können. Empfehlenswert wäre ein paarweiser Erwerb, um den Einklang dieser Ausstellung festzuhalten und mitzunehmen.

Norbert Küpper, Köln Mai 2022